Mitten in dem so glückseligen Lauff meiner alhier sich ausbreitenden Praxis verlangte der Bassa von Aleppo Mahometh Mustapha meines Vetters älteste Tochter durch ein dreyfaches / an den Vater Mutter und Tochter abgelassenes / und mit einem expressen übersandtes Schreiben zur Gemahlin / welche ihm in Ansehen dieser Bassa in grosser dignität stehet / weil er nicht nur über Caramanien, sondern auch über Diarbeck das Haupt=Commando führet / nach Türckischen Gebrauch versprochen / und mit der binnen vier Monden von Alcair nach Meccha und Medina dem jährlichen Gebrauch nach abgehenden Caravane solte fortgeführet werden ; von wannen er sie weiter biß Aleppo bringen lassen wolte.
Nun begunten meine ungläubige Verwandten mit Ernst des Abfalls wegen in mich einzudringen / und verlangten / wiewohl nicht ohn Bescheidenheit zuförderst diese Wahlfahrt zur Ehre ihres grossen Propheten beygestellet zu seyn / ungeachtet ich als ein [D5r] Weibes=Bild so wenig / als Christen und Juden in eine Moschee, geschweige denn Grabe dieses heiligen Propheten nahen dörffte / als die ich gleich allen andern Weibes=Bildern nicht in dem Himmel eingehen / sondern nur in dessen Vorgemach verbleiben würde / so wäre es doch schon genug / wann ich nur zu Mecha und Medina als an denen Oertern seiner Fleh und Begräbnis gewesen wäre / und den Glauben an ihn zur Vergebung der Sünden hätte / alsdann ferner der Freundschafft halb er mit der Braut auff einem Kameel unter einem schönen Schirm=Dach gegen ihr über sitzende nach Aleppo zu den Bräutigam ziehen solte.
Je weniger ich nun auf diesem Vortrag einzuwenden hatte / und meine Hertzens=Meynung offenbahrete / desto angenehmer war ich ihnen / als die ich das simuliren und dissimuliren alhier für meine beste Klugheit und Hülffe halten mußte. Denn dieser Bassa hatte nur erst vor wenig Jahren zur Bezeugung vor seinen Aberglauben einen mit ihm auch verwandten Türcken / welcher zum Christlichen Glauben getreten / verbrennen lassen.
Indem sie mir nun zum öfftern diesen unheiligen Marsch angepriesen / wie er nemlich von mehr als 40 000 Personen und eben so viel Kameelen mit genungsamen Proviant, Soldaten und Ammunition versehen / zu dessen Beförderung der Groß=Türck selbst über eine Million jährlich herschöffe / hegte ich keine andere Gedancken als welche zur einer glücklichen Flucht abzieleten.
Weil ich derowegen in Neu=Cairo, allwo die [D5v] meiste Handlung getrieben wird / einen klugen Frantzösischen Kauffmann Nahmens Monsr. Le Blanc, welcher ohnlängst vor einige Monaht aus Smirna gekommen war / an der Wassersucht curiret hatte / und vernommen / daß er bald wiederum dorthin zu kehren willens ; wagte ich es ihm mein Anliegen zu entdecken / welcher auffrichtige Mann mir nicht nur assistentz versprach / sondern auch in der in der That leistete.
Je näher nun die Zeit des Abzugs der Caravane im Martio herbeyrückte / und man mit denen præparatorien auf unsern Schloß beschäfftiget war / desto Hertzhafftiger stellete ich mich / und wechselte meine silberne Bahrschafft durch Hülffe dieses Kauffmannes / mit welchen ich ohne daß es meine Leibwacht mercken konte / ungehindert / als wäre er noch ein Patient Abrede nam / in güldene Species; ließ mich auch einen Türckischen Manns habit, durch ihn anschaffen / um solchen im Nohtfall bey Händen zu haben / practicirte darneben unter denen Egyptiern wie vorhin / und muß ich bekennen daß ich von denen häuffig curirten Persohnen in dem einigen Jahr über 2000 Ducaten beysammen bekam.
Dir Gespanschafft der Wahlfahrer versamlete sich unter ihrem von dem Bassa geordneten Hamirag oder Führer allgemählig in unserm Schloß ; von wannen sie gebräuchlicher Weise in grosser Anzahl Reicher und Armer in guter Ordnung samt ihren hintereinander gebundenen Kameelen / welche mit Sonnenschirmen gleich kleinen Häusern auch andern Sachen beladen waren / nebst 6 Stücken und 300 <D6r> Spahi sehr herrlich anzusehen / am 1 Mertz 1690 Früh bis auf den späten Abend zum Thor hinaus auf ein Feld sich lagerte.
Der Verzug welchen sie daselbst von 10 und mehr Tagen hielte / in welchen sie sich um des dürr= und sandigten Weges willen wohl mit Wasser dessen die Kameele zwar 3 Tage entbehren können / versahe / bis der Auffbruch ausposaunet wird / veruhrsachte daß meine Mase mit ihrer Eqvippage und mir scilicet, noch einige Tage daheim verweilete : Meine Kleider und Gerähtschafft waren sehr wohl eingepackt / mein Gold aber und was ich vor Juwelen von meinen Verwandten empfangen / war bereits alles in obgedachten Frantzosen Händen.
Dieser hatte mittlerweile auch alles zu unserer Wahlfahrt angeordnet und herbey geschafft / dahero war nöthig / daß ich noch einmahl diese und jene Vornehme in der Stadt nebst dem grossen Lazareth, woraus ich über 400 zur Gesundheit verholffen / zu besuchen / und von ihnen Abschied zu nehmen fingirte / so mir auch willigst erlaubet ward.
Monsr. le Blanc hatte auf meine Ankunfft schon etliche Stunden gewartet / meine ordinaire Wache verblieb bey meinem Maulthier vor der Thür stehen / und weil ich sonst öffters gewohnet war eine Stunde bey ihm in Türckischer Sprache redend zu verbarren / konte ich mich ohn Suspicion zu erwecken / meinen Mannes habit anlegen / und durch eine kleine Hinter=Thüre nach einer andern Gasse zu / welche bald wiederum in eine anderne gieng / mich mit ihm salviren / bis wir an die von ihm bestellte Pferde gelangten.
<D6v> Wir eileten so starck er in so engen Gassen wir deren 20000 fast alle in Cairo sind / und in des Volcks Gedränge sich thun ließ / in die 2 Meilen bis an das Ufer des Nilus.
Allhier lagen 2 erschlagene crocodile, derer ich vorhin bereits viele von 30 a 40 Fuß lang zwar einstens einen / so ein Kind im Leibe hatte nebst einer Maus so ihm schlafend in den Rachen gekrochen und sein Eingeweide zu benagen angefangen hatte.
Dieses Their legt etwan 60 Eyer denen Gänse=Eyern gleich / kan wegen seines steiffen Rückgrads im lauffen sich schwerlich schwencken / weshalb es durch einen hurtigen Menschen gar wohl gefället und vermieden werden kan / wie es denn auch Menschen und Vieh ausser denen Schweinen / die zwarin Egypten nicht ausser bey einigen Coptischen Christen anzutreffen / mit welchen es Freundschafftlich umgehet / fatal und feindlich zu seyn pflege.
Wir bielten uns bey Beschauung diesem großäugigten ungeheuren Wasser= und Land=Thieren nicht auf / sondern giengen so fort am Bord des nach Alexandria fertig liegenden Fahrzeuges / worein mein Gefehrte seit gestern bereits sien Guth mit meiner Baarschafft bringen lassen.
Das dreystündige aussenbleiben unsers Patrons in der barqve dauchte mir ein 3 jähriges / weil ??? wegen der mächtigen Nachsetzung nicht gesichert seyn konte.
Bey dessen Ankunfft huben wir unter favorablen Süd=Wind das Ancker / und weil der Strohm auch mit uns war / gelangten wir nach <D7r> 3 Tagen gen Alexandria, traten unweit dem Pfeffer=Tohr ans Land / verzolleten unsere Sachen und verfügten uns zum Frantzösischen Consul Landwerts zu / nahe an der Mauer.
Dieser in einem langen rohten Sammeten Rock gekleidete Herr taht uns sehr gütlich und verliehe uns einen Paß / worein ich des Herrn le Blanc Diener hieß.
Nachdem ich also einen blauen Turband als der Christen Tracht aufgesetzet / traten wir bey gutem Winde noch diesen Tag in das nach Smirna zugerüsteten Kaufwardey Schiff / Hali Bassa, wornach Mons. le Blanc sich in Cairo albereit genau erkundiget hatte / und verliessen den 9 Mertz 1690 den Alexandrinischen Hafen.
Auf einer lieblichen Meeres Stille pfleget gemeiniglich ein entsetzlicher Sturm und auf einem erwünschten Glück ein bertübtes Unglück zu erfolgen. So ist der Wechsel dieser Zeiten ! dem ein jeder Sterblicher und also auch wir unterworffen waren. Denn nach dreyen Tagen da wir mir vollem Seegel fast das Capo Salomoni von Candia erreichet / hatte sich der Wind gäntzlich gelegt / daß wir auch nicht einen Schrifft fürder gelangen konten / als folgenden Tages den 13 dito aus Nordwesten ein so gewaltiger Orcan sich erhub / der uns nach dem Syrischen Meer zur lincken der Insul Cypern hinweg schlug.
<D7r> Dieser Sturm hatte bereits 4 Tagelang gedauret / und alle denen Leichen gleich gewordene Schiff= und Boots= Leute also abgemattet / daß sie bey währender Wind= und Meeres=Wuth keine function mehr verrichten konten: Dahero wurden mit unserer Hülffe die Masten traurig und fatal gekappet / sintemahl einer von ihnen nebst meinem theuer werthen Erretter und Gefehrten / welcher der Noht überall durch seine Dienstleistung mit abzuhelffen bemühet war / von einem Thau ergriffen / und jämmerlich in die auffgethürnte Wellen ohn rettung hinunter geworffen ward.
Ein jeder war vor Consternation ausser sich selbst / und sahe seinem gleich deren andern beyden Tod / nebst dey Schiffs Zerscheiterung alle Augenblick entgegen.
Als wir uns aber wieder ermunterten / und mit dem ewigen Leben zu trösten begunten / wurden wir gegen dem Morgen am 6ten Tage mit einem gewaltigen Stoß an das Ufer nahe bey Sidon geworffen / davon das Schiff zerborste / die Persohnen aber insgesammt weil der Tag bald anbrach / nebst verschiedenen Güthern und meiner zu Constantinopel und Cairo erworbenen in 5000 Stück bestehenden Ducaten=Börse in einem Kästlein sammt meinem Paß gerettet wurden.
Gegen den Mittag kamen uns die Sidonier mit Fahrzeugen zu Hülffe / löscheten die geborgene Güther und brachten uns in ihren Hafen zur Stelle.
Damit ich aber keinen Menschen nach meinen Golde einigen Hunger oder Durst erwecken möchte / [D5r] verbarg ich solches in die 20 Pfund schwer bey mir in den Schubfäcken der Kleider zum Zehrpfennig meiner bey dieser Gelegenheit in das Jüdische Land vorzunehmenden Reise.
Als ich mich nun zwölff Tage in der vor alren Zeiten so hoch berühmten mächtigen / nunmehro aber tiefft un den Abgrund des Elendes hernieder gestürtzten Handel= und See=Stadt Sidon nahe bey dem Gebirge Libanon, in einem Türckischen Gast=Hause am Marckte in Compagnie zweyer Frantzösischer und drey Venetianischer Kauff=Leute / so daselbst ihr Handlung warnahmen ausgeruhet / und daneben die kleine Capelle von festen Steinen erbauet am Meer / woselbst der Welt= Heyland das Cananäische Weibes=Bild gesund gemachet / in Betrachtung gezogen hatte / reisete ich den 30 Mertz aus dem Sidonischen Hafen / mit einem Joppenfahrer in einer Schmacke nach Joppe in dem Stamm Dan vorzeiten gelegen.
Drey Tage hierauff ließ der Schiffer in dem Hafen dieses kleinen Ohrts gegen den beyden am Wasser stehenden Wacht=Thurme über / die Ancker sincken / setzte mich mit 3 Passagiers welche nach Jerusalem zu wahlfahren intendirten / in sein kleines Boht herüber an das Land / wo die Türcken unser warteten / die den Zoll und die Pässe von uns abforderten / nachmahls uns von dem Gouverneur aus Rama so anderthalb teutsche Meilen von Joppen / durch einen expressen einige Esel und Geleite beorderten.
Da wir solche erhielten / zogen wir damit den andern Tag darnach daselbst ein / und beschenckten <D8v> den Gouverneur mit seinen Schreiber so unsere Nahmen nach der Gewohnheit notirten / ich mit 2 Ducaten / die andern aber mit præsenten von Seiden=Gezeug / bezahlten unsere Esel / jeden mit einem Reichsthaler / und liessen nach unterschriebenen Pässen und erlegtem Zoll uns mit einem Geleite von 30 Arabern den andern Tag aus des Pilgrims Herberge nach Jerusalem so fünff Meilen davon in dem Stamm Benjamin vorzeiten gelegen / förder bringen.
Diese unter ihrem Capitain stehende Mohren waren nicht mächtig genug uns für die wegen der oberzehlten und noch daurenden Meuterey dieser Nation so hin und wieder ohne Ordnung mit rauben und plündern streiffeten / zu schützen ; Inmassen uns zu dreyen mahlen in den engen hohen Gebürgen und tieffen Thälern / welche wir zu passiren hatten / drey starcke Rotten dieses Gesindes wege lagerten / und uns ohne eine starcke ranzion von 100 Ducaten jedesmahl nicht ziehen lassen wolten : Darbeneben wir unsere Arabische Garde mit eben solcher Summe contentiren musten.
Am Abend des 5ten Aprilis naheten wir uns des Stadt=Thors von dem heutiger Zeit gantz aus seinem alten Stand hinweg gerückten und im Staub und Moder vergrabenen Jerusalem.
Dessen Einwohner aus allerley Nationen von Christen / Türcken / Juden / Armenier bestunden / und durch ihre mannigfaltige Trachten sich genugsam distinguirten / in übrigen allesamt dareinstimmig waren / daß sie die Weiber von ihren Eltern um ein gewisses Geld erkauffeten. Das so genandte Grab [E1r] des Herren Christi / als welches Krafft desselben wahrhafftigen Prophezeyung / daß kein Stein auff den andern daselbst liegen bleiben solte / wegen der so vielfältigen Zerstöhrung von Römern / Persern / Saracenen und Türcken unmöglich mehr seine vorige Lagerstatt haben kan ; wie ich dann solches auff dem Chor der grossen Kirche / welche den Berg Calvaria sambt dem Garten unschliessen soll / mit weissen Marmor 7 Fußlang / 3 1/2 Fuß breit und 3 Fuß hoch ausgekleidet / inwendig in einer Capellen zur rechten Hand gefunden.
Angeführete Kirche stehet in der Stadt / das Grab aber befand sich wie bekant ehemals ausserhalb des Thors in einem Garten : Dieser ist nun bey der so öfftern greulichen Verwüstung Jerusalems sonder Zweiffel der vielfältigen totalen Verheerung sambt dem Grabe ja auch unterwürffig gewesen.
Wessenthalben denen Christen mehr zum Spott als Ruhm gereichen mag / daß sie bey ihrem so hellen Schein des Evangelii gleichwohl sich zu einem überaus grossen Interesse derer Türcken in so elende und ungewisse Steinklumpen vergasstet / und zu deren conservirung so viele Schätze von Gold / ja gar Leib und Leben verwenden : darüber die ohne das in Aberglauben ersoffeneTürcken lachen / und dieses ihnen so köstliche Ausbeute bringendes Bergwerck mit Schwerdt und Waffen so sorgfältig verwahren / daß ich allein vor meine Person über 50 Ducaten diese betriegliche curiositaet zu schauen / dem dasigen Elemi und andern Befehlhabern auszahlen müssen.
An denen Bergen Zion und Morija so bey der Stadtmauer über dem Thal Josaphat lagen / welche [E1v zwar ihre vorige Stelle behalten / und deren der erste einen Türckischen Tempel an statt des Salomonischen trägt / hab ich vor andern überall in der Welt liegenden Bergen / als denen sie gleich seyn / auch keine prærogative oder Heiligkeit gefunden.
Die Wünsche sonst keine andere Einwohner diese Städtleins hatten gefüllte Wein=Fässer in ihren Keller zu meiner Erquickung.
Den 8 dieses verfiel der Elemin in ein hitziges Fiebern und da er vernommen / daß ich 2 Welschen Kloster=München den Rohtlauff in einem Tage vetrieben / ließ er mich zu sich entbiethen / und als ich von denen in Cairo noch bey mit gesteckten Medicamenten ihm 3 Tage nach einander brauchen lassen / konte er am 9ten seiner Sohns Beschneidung in der dortigen Haupt=Mosquee wo zugleich mehr Kinder beschnitten wurden / beywohnen.
Wobey dann keine andere Ceremonien als gebräuchliche observiret wurden ; allermassen die Weiber ihre Kinder auf dem Schooß haltende nach der Mosquee ritten / und solche denen vor der Mosquee stehenden Pfaffen nach einander überliefferten / die sie nach der Beschneidung ihren Müttern wieder zustelleten.
Der Elemi ließ mich auf dieses Fest zur Mahlzeit invitiren, schenckte mir zum Recompens ein schönes Pferd / nebst einem Sclaven zu meinem Diener / bey seinem Haupt und dem Käyser schwörende. Er wolte mich gleichfals mit sichern Paß=Briefen versehen / dessen ich mich mit ehrerbietiger Dancksagung bedienete.
Als man mich Abends in ein Türckisches Gast=Hauß logirte / starb eben der Wirth / welchen sie mit grossem Geschrey einen Muht zurieffen Mahometh [E2r] würde ihm einen Orth in den Himmel anweisen / weil er bereits seiner wartete ; wuschen darauff den Leib sauber / stopffeten ihm alle Oeffnungen mit Baumwolle zu / zum Zeichen / daß er nun rein und keine Sünde mehr in ihn dringen könne ; legten ihn darauff in einen Sarck mit einem Tuch bedeckt / trugen ihn mit Geschrey vom Mahometh weg / scharreten ihn ein / und legten einen kennbahren Stein darauff / damit seine Hinterlassene Frau des Freytages bey ihrer Beweinung das Grab nicht vermissen möchte.
In diesem Caruazell oder Wirthshause logirte ich mit meinem Morischen Sclaven 5 Tage / besuchte inzwischen öffters den Elemin, curirte seine Frau am Seitenstechen / und erfuhr von ihm / welchermassen er ein Schreiben mit der Nachricht erhalten / daß die Maltheser Ritter unweit Candia eine Türckische Gallion erobert und das Volck zu Sclaven gemacht hätten / weshalb er alle die daselbst befindliche Walfahrer in Eysen werffen / und nach Damascus schleppen lassen solte / so auch ohn Auffschub geschahe / und an mir gleichfals vollzogen wäre / hätte er mir nicht wie oben gedacht / bey seinem Haupt / woran er die Hand nach Türckischer Weise gelegt und dem Sultan Soliman geschworen mich überall in Syrien mit einem sichern Geleits=Brieff zu versehen / und dann / daß ich mich für keine Walfahrer ausgegeben / als welche nur eigentlich der scharffe Befehl angieng.
Diese unschuldigen Leute koppelte man darauff mit eisern Ketten zusammen / trieb sie 9 an der Zahl ärger als das Vieh fort / und wie sehr mich ihr elender Zustand schmertzete / reisete ich gleichwohl zu meiner Sicherheit mit ihrer Guarde gen Damascus / als wir durch das Philister Land / welches an Baumwolle / (die an kleinen Stengeln mit Knopfen / worein [E2r] sie ist / wächset /) fruchtbahren Bäumen und Aeckern reich genung / zogen / traffen wir statt guter Gebäude und Häuser nichts als kleine Cabanen und Hütten mit Härintüchern belegt an / woran bin und wieder kleine Kinder in Härin=Tuch gewickelt hingen / welche mehrentheils biß an den Abend in der grösten Hitze zu Erlernung ihrer Morischen Eltern harten Lebens=Arth hangen musten.
In Samarien einem gleich dem vorigen fetten Lande erkranckten 2 Sclaven / welchen ich aus Mitleiden wieder zu rechte halff / mit den Trost / ihnen bey dem Bassa in Damascus das Wort zu reden.
Hierauff gieng der Marsch nach Galilea als das fruchtbarste aller Syrischen Landschafften / durch des heiligen Petri Gebuhrts=Ort Bethsaida / dem lustigen mit grünen Sträuchern bewachsenen Berg Tabor an dem süssen Galtläischen Meer vorüber. Ferner / durch das ziemlich noch bebauete Nazareth und das von der Heldin Judith so hoch berühmt gemachte Bethulia / über die Brücke Jacobs am Jordan / biß wir den 3 Maji vor Damascus kamen / und durch das Jerusalemsche Thor eingeführet wurden.
Alle meine intercessiones und Bemühungen vor die elenden Walfahrer bey dem dortigen Bassa, welchen ich vielleicht in meines Vaters gewesenen Gemach des mitten in dieser Stadt gelegenen festen Schlosses am dreytägigin Fieber curirte / waren nichtig / ausser daß ich ihnen ein erträgliches Gefängniß procurirte und sie mit 100 Ducaten beschenckte.
Die Hochachtung des nur angeregten Bassa gegen meine Person brachte mir allein bey divertissemens mit Spatzier=reiten in denen vor dieser weitläufftigen Stadt gelegenen luftigen Gärten und Gefilden [E3r] an dem Berge Libanon nebst einem herrlichen mit Gold gezierten Damascenischen Säbel / und einen köstlich allhier gewirckten Stück carmosin=rothen Damast / gute Salvegarde und Recommandation an den todtkrancken Bassa biß nach Tripolis zu wege.
Letzt gedachter Bassa, Nahmens Selim, ein 76jähriger Greiß und abgewichener Christ war im höchsten Grad schwindsüchtig / woran er auch eine Stunde nach meiner allzuspäten Ankunfft Todes verfuhr.
Nichts desto minder erwieß mir der Vice=Bassa sonderliche Civilitäten / und ließ mich nach viertägiger Frist aus dieser mit einem ansehnlichen Hafen wolversehenen Syrischen See=Stadt durch 6 Reuter nach Aleppo der grössesten in Natolien und besonders in Phönicier=Lande auff einem unfruchtbahren Boden liegenden Handel=Stadt begleiten.
Auff diesem Wege traff ich in einem Caruazel 2 Oesterreichische Münche an / welche mit mir als einem Europäischen Passagier beliebige Bekandtschafft machten / und im Vertrauen des Morgens eine Stunde vor Tage mich in ihr Kämmerlein beschieden ; allda sie ein paar Höltzlein in die Wand steckten / ein Tuch darauff breiteten / worauff sie als auff ein Altärlein ein gemahltes Crucifix setzten / und mit heimlicher leiser Stimme die Messe lasen ; wobey einer des andern langen Rocks Zipffel auffhub und mit einem Klöcklein ohne Klöpel hin und her schwenckte : Nach welcher geendigten Ceremonie sie sich auf ihren Eseln in kurtzbesagte Stadt mit uns verfügten.
Hätte nun mein Oheim der hiesige Bassa, von dem bey meiner Flucht aus Groß=Cairo gedacht / mein Beginnen und Herkommen mir an der Stirne lesen können / würde er mich ohne Zweiffel auff seinem festen Schloß fest genung biß auf die Ankunfft seiner [E3v] Braut verwahret und mich nicht nach einem 14tägigen Auffenthalt aus dieser Volckreichen Stadt in Gesellschafft 4 Venetianischer Kauffleute / welche mich im Spatziergehen am Euphrathischen Ufer zu ihrem Reise=Gefährten vermöchten / so ungehindert nach der Stadt Diarbeck in Mesopotamien und so weiter / frey haben ziehen lassen.
Etliche Tagereisen von dieser auff einem Stein=Gebirge liegenden grossen Stadt / hätte einer meiner Gefährten Signore Arlotto benamset / das Unglück / daß ihm beym durchreiten eines engen Passes / so man durch einen Felsen bey 200 Schritte lang / 15 Schritte breit / und 16 Reinländische Fuß hoch gehauen hat / ein von oben herab gefallenes stück Stein einer Faust groß / das Haupt sehr verwundete / so ich ihm so gut es möglich / verband / und in inseren Christlichen Cabazera zu Diarbeck nach 7 Tagen wieder ziemlich heilete. In welcher Zeit wir uns zum öfftern beym heissen Wetter an dem viereckichten Brunn / welcher mitten in dieser Stadt tieff in einem Felsen gehauen / auff Tapeten sitzende erkühleten / und denen darein durch verborgene Quellen hervorgekommenen Fischen Speise zuwarffen / die sie als ein Raub auffschnappten und sich geschwinde wieder in ihre Hölen verschlupfften.
Wehrend unsers hiesigen Verzugs / da ich fünff Christliche Armenische krancke Kauffleute zur Gesundheit verhalff / lieffen Schreiben an meine Gefehrten von Bagdat ein / daß die Portugisische Fregatte mit ihren damit zu erwartenden Gütern allbereit in dem Persischen Meer=Bütem??? an dem Mund des Eyger=Stroms zu Basra angelanget wäre : Dannenhero wir ungesäumbt unsere Reise ferner nach Rinive oder Mosue im Diarbeckischen fortsetzeten.
[E4r] Ob sie nun wohl zwar meinen Zweck welchen sie mir auch selbst angepriesen / wohl wusten / wie ich nemlich über Ormus, Capo de bona Speranza, nach meiner Heimath gedächte / hatte ich jedennoch ihnen die Ursach eines solchen Umschweiffes nicht entdecket / aus Furcht / es möchte mir gehen wie in Constantinopel : Deßwegen ich auch zu dieser Reise / ungeachtet der sich eräugenden guten Gelegenheit nicht einmahl Ernst verspühren ließ / sondern verblieb allhier zu Rinive mit dem vorher gemeldten Bleßirten allein / da inmittelst die andern drey über Bagdat nach ihren Güthern voran hinab reiseten.
Die Haupt=Ursache meines Verbleibens aber war diese / daß ich einige wegen des zu viel genossenen dasigen herrlichen Obstes erkranckte Christen zurecht helffen möchte. Mittlerweile wir das Grab des Propheten Jonas ausserhalb der Stadt in einer mit Silber bedeckten Capelle nebst der daherum liegenden schönen Gegend besichtigten.
Der Schwefelbach so sich allhier in die Tyger ergiesset / und denen Einwohnern seinen Schaum zu ihren nöthigen Schwefel mittheilet / setzte uns in Verwunderung / wie ingleichen die Füchse / welch in unsern Gezelt mehrentheils die Schuh auffgefressen / als wodurch wir genöhtiget wurden uns in ein Armenisches Caruazel in die Stadt / nahe bey der Mauer / so von viereckigten Marmorsteinen in die anderthalb teutsche Meilen herum geführet / zu logiren ; allwo wir 6 Tage verblieben / und so dann aus dieser gleich Cairo ungepflasterten staubigten Stadt mit einem Geleite von 2 Janitscharen auf Bagdat zureiseten.
Alhier funden wir wie in vorhergehenden Städten mehr Christen als Türcken / welche erstern eben an dem Tage / als wir auf doe grosse höltzerne Brücke zum Stadt=Thor hinein ritten / nach dem Grabe des [E4v] Propheten Ezechiels etliche Meilen davon eine Walfahrt anstelleten.
So bald mein Welscher Gefehrte einige Ballen von Baumwollen und Seiden / womit die Christen allhier ihr Gewerbe haben / den Eyger=Strom hinauff biß nach Diarbeck und von dannen nach Aleppo abgeordnet hatte / begaben wir uns mit Proviant an Fleisch und Früchten wohl versehen / in eine Barqve, welche der schnelle Tyger=Fluß in 3 Tagen an das Portugesische Schiff hinunter trieb / welches bereits seine Indianische Wahren mit denen Türckischen vertauschet hatte ; also / daß ich gleichsam geruffen an Bord gehen / mich folglich sambt Diener und Pferd vor 5 Ducaten verdingen / und den andern Tag nach Ormus zur See gehen konte.
Beym Abschied von meinem wehrtesten Reise=Genossen spedirte ich mit einem von dort zurück gehenden Türcken ein Schreiben an den Bassa von Aleppo ; worein ich mich vor alle erzeigte Begnönstigungen nochmahls bedanckte / bittende / Er möchte mich künfftige bey seiner Braut bestens excusiren / daß ich dieselbe nicht nach Mecha und Medina begleiten können / weil ich mehr von dem Himmel als des Mahomets Vorhoff bielte / im übrigen vor alle mir in Cairo erwiesene Ehre Zeit Lebens höchlich verbunden bliebe. Daß dieser Brieff wird einige Confusion bey meiner Familie erwecket haben ist nicht zu zweiffeln.
Den 4 Tag hierauff liessen wir unsere Ancker in dem fürtreflichen Hafen vor dem fünffeckigten Castel der wegen Klippen und Saltzes an sich magern Insul Ormus fallen.