Inzwischen verschlimmerten sich die Staats= und Krieges=Händel bey der Ottomannischen Pforte je länger je mehr ; und thaten sich in Constantinopel eine Verwirrung nach der andern herfür / welche den bedrängten Sultan nöthigten nach seiner Residentz bald wieder zurück zu kehren. Bey dessen Ankunfft ward gleichwohl 1687 das Ubel immer ärger. Die Soldaten wolten nach so viel erlittenen Niederlagen sich nicht ferner wieder die Christen zur Schlachtbanck führen lassen / und begehrten nicht wieder zu Felde / wo sie nicht zufördert ihren rückständigen Sold von 15 Monahten erhielten / und ds Groß=Vizirs Solimans Haupt / nebst denen Häuptern des Kaimakans und Tafterdars wie auch anderer Grossen ihnen eingehändiget würden, rückten <B4v> zu dem Ende aus Constantinopel und drungen auff die Dethronisirung des Groß=Thürcken.
Keine Feder vermag den damahligen Paroxismum des Türckischen Reichs zur Genüge zu beschreiben ; alles Volck klein und groß stand perplex / der Mufti starb vor Kummer / die Kramladen wurden geschlossen / der unglückselige Sultan aber wuste weder Mittel noch Raht mehr sein zu Boden liegendes Glück wieder auffzurichten.
Er both zwar als man nicht über 2 Millionen piasters in seinem aerario vorfand / die Reichs=Kleinodien feil : allein diesen Schatz konte niemand erkauffen / hienechst bemühete er sich mit Herunterreissung derer von den Meutmachern prætendirten Köpffen / und mit Hinwegschaffung vieler Sclavinnen aus dem Seraglio die rebellirende Armee einiger massen zu besänfftigen / allein vergebens. Die Armee rückte in ihrer Wuht immer näher.
In dieser Angst da weder Mittel noch Raht mehr zu finden war / ging der Käyser eben als man mich durch zwey Capighi zum letzten mahl am 26 Octobris nach dem Seraglio mitten durch das unruhige Volck nicht ohne Gefahr zu ihm seines Haupts Gebrechen halber entbohten / zu meinem erstaunen gantz bestürtzt und rasend scheinend / nach dem Gefängniß seines Bruders Soliman, und seiner Printzen / in Willen solche zu massacriren : allein die Verschnittene verwehreten ihm den Eingang so lang / bis daß der Bostangi Bassa mit einigem Volck herzu kam und die erschrockene Printzen in Sicherheit brachten / den wütenden Mahometh aber bis am <B5r> 8 Novemb. in seinem Gemach / wohin er sich wieder gewendet hatte arrestirete.
Dessen Bruder Soliman nun ward so fort zum Käyser an seine statt erwählet / und als man ihm davon die Nachricht bringen und herfür führen wolte / die Thüre aber welche er aus Furcht inwendig verriegelt hatte / auffbrechen muste / fand man denselben in eine Ohnmacht auff dem Boden liegen.
Nachdem ich nun wegen der rebellirenden Soldaten und des häufig vor dem Seraglio stehenden Volcks in einem a parten Audientz Saal in Furcht und Zittern mich befand / ruffte mir ein verschnittener Mohr eiligst in das Gemach / wo der neue Käyser lag.
Als ich nun das Glück hatte / daß auff meine vorgekehrte Mittel dieser ohnmächtige Printz in einer halben Stunde sich wieder erholete und zu reden begunte / auch erfuhr / wie es mit ihm gestanden und noch stünde / daß er an seines Bruders statt zum Käyserlichen Thron erhoben wäre / betete er noch seiner Arth / und versicherte mich vor ihm auff den Knien liegende nachhero seiner Käyserlichen Gnade; dafür ich mich mit dem Wunsche auffs tiefffte bedanckte : Ejbouck Soliman Ala haala fenni faglassim we birkün mynkuni ilesun : Grosser Herrr Soliman Gott bewahrte Dich / und mache Dir einen Tag zu tausend Tagen!
Als nun der arretirte Mahometh die Zeitung erhielte / daß sein Bruder den Türckischen Scepter erlanget / ließ er die eben in der Hand haltende Caffèe-<B5v> Schaale zur Erden fallen / und sanck in Ohnmacht / die aber weil sie nicht hefftig / bald wieder vorüber ging.
Solchergestalt hatte die vorige Traumdeutung der wahrsagenden Zeichendeuter zum theil ihre Efüllung / indem sich Mahometh bey der Erhöhung des Bruders in seinem Gefängniß erniedrigt genung sahe.
Dahergegen die unschuldigen Sternseher und Träumdeuter den 26. Novemb. letzt=angemerckten Jahres / ihre Erledigung erhielten. An welchem Tage Soliman dieses Nahmens der Dritte in der Mosqvêe Yob so St. Jacob bedeutet / gekrönet ward.
In dieser Mosqvee verrichtete er erstlich sein Gebet / nach welchem einer seiner 24 Geistlichen ihm eine Lob=Rede hielt / und Ihn sieben mahl einsegnete / welches das Volck allemahl mit einem Amen beschlossen / folgendes ließ ihn der Mufti auff den Alcoran schwören / und der Vornehmste des geistlichen Geschlechts entsprossen von dem berühmten Mullu Hunkiar welcher für einen Heiligen von den Türcken gehalten wird / und dessen Nachkömmling Cheiz Bestache die Janitscharen auffgerichtet / gürtete ihm nach alten hergebrachten Gebrauch das Schwerdt / welches der erste Käyser Ottoman getragen / mit diesem Wunsch an die Seite : GOTT verleihe Dir das Glück des OTTOMANS! Nach welcher Ceremonie man ihm den grossen mit Diamanten besetzten Tulband gleich einer Königlichen Krone / und mit zweyen schwartzen Reiger=<B6r>Büschen gezieret / welchen sonst kein Sultan; falls er sich nicht durch glückliche Feldschlachten und erworbenen Siegen tapffermühtig signalisirte, tragen darff / auff das Haupt. Womit er unter Jauchzen und Freudenschall des Volcks sich auff sein Pferd schwang / und dirch das Adrianopel=Thor seinen Zug nach dem Seraglio nam.
Sein Kleid war von grünen mit Perlen gestickten und mit Zobeln gefütterten Tuch / über welchen er einen langen Rock von grünem Atlaß gezogen hatte / dessen Schweiff von zwey Officiers zu Fuß getragen wurde. Zwey Laqvayen in Drap dör gekleidet / hielten seines Pferdes Zaum / und dreissig andere in Gold und Silber=Stück eingekleidete / und mit silbern Platen gezierete Mütze tragende Laquayen nebst 150 Leib=Trabanten samt Bögen und Köchern / umgaben ihn.
Den Anfang dieses Auffzugs machte der Soubaschi oder der Hauptmann der Wacht und Policey mit seinem in commando habenden 600 Männern. Ihm folgete der Sebegi Bassa mit 800 Mann / so die Ammunition verwahrten. Ferner 300 Topigis oder Büchsenmeister mit ihren Officieren und vier metallenen Stücken. Darauff folgten 8000 Janitscharen mit dicken Stäben in der Hand und ihre Tulbande auf den Häuptern / welche einer Bischoffs=Mütze ähnlich. Hinter denen ihre Chiausen und 50 Rittmeister in Atlas gekleidet mit Federbüschen auff ihren Turbaden / gleich einem wachsenden Mond. Denen folgte der Aga oder ihr General. Danach die Spahi. Hinter diesen <B6v> 20 Capigi des Groß=Vizirs zu Fuß. Darnach 30 Chiausen des Divans mit Pantzern bewaffnet. Nechst diesen die Mullas oder Gesetz=Lehrer zu Pferd / welchen folgete der Kiajabeg oder Obrist=Lieutenant der Janitscharen zwischen 100 herrlich mondirten Janitscharen. Ferner 80 Mutafarkas und so viel Emirs oder Geistlichen von dem Geschlecht Mahomets mit grünen Turbanden / nebst 12 andern Imans oder Mosqveen= Priestern : 30 Chiausen und 80 Cadis oder Richter gingen nach. Dann kamen 12 Capigi des Groß=Türcken in Gold gestickten und mit Hermelin gefütterten Kleidern auff köstlichen Pferden reitende. Der Nakib des Emirs ritte allein ; hinter ihm 2 Kadileskers von Romanien und Natolien. Der Groß=Vizir und Mufti ritten in einem Glied neben ein ander / jener zur rechten und dieser zur lincken Hand / begleitet von 100 Reutern mit ihren Caftans über ihre Kleider und von vielen Bassen nebst einer grosen Anzahl Pagen begleitet. Der Emir Acor oder Groß=Stallmeister gantz allein. Dann endlich obgedachter Groß=Türck mit seiner Svite. Dahinter der Selictar Aga oder Schwerdt=Träger den Säbel auff der rechten Schulter tragend. Der Chocodas oder Mantelträger der Rikiabdas oder Steigbügelhalter der Dalbandar oder Turband=Träger trug den Turband. Der Kislar Agafi oder Obrister der Verschnittenen mit 80 Laqvayen. Letztlich 4 Officiers welche an jeden Ohrt der Gasse Geld auswurffen.
Am Seraglio erwarteten den Sultan die Maurer und Steinmetzen / welche ihm bey seiner Ankunfft <B7r> einige Marmorsteine von mancherley Farben præsentireten / und fragten : von was Gattung er sein Grab wolte zubereithen lassen : da er dann den weissen erwähltete / und dem Gebrauch nach diesen Tag zu dessen Verfertigung der Anfang noch gemacht ward.
Man hat nicht wenig Uhrsach die Klugheit des Solimans zu bewundern / daß er mitten in der noch währenden Empörung und im Angesicht mehr als 50 000 Rebellen / wie auch aller Creaturen oder Anhänger des abgesetzten Mahomeths und seines ältesten Printzen Mustapha, mit solcher magnificentz diesen Krönungs actum ruhig zu Ende bringen können.
Welches gewiß ein Kennzeichen seyn mag / daß dieser 40 Jährige gefangene Herr des Regiments nicht untüchtig gewesen wie er wol selber aus Demuth die er bey dem Einzug genen das Volck unverstellt und deutlich genug angezeiget / so auch dem Kaimakan vor seiner Krönung mit diesen Worten zu erkennen geben wollen : Ich der ich 40 Jahr den Alcoran in meinem Gefängnis gelesen / weiß des Reichs Angelegenheiten nicht.
Alle seine Bemühung gingen nur dahin den verworrenen Staat zu reformiren und zu f rderst die Rebellion und innerliche Unruhe zu dämpfen welche mehr Verwüstung als ein ausserlicher Krieg und die Pestilenz angerichtet. Wie mir dann derjenige / welchem beliebet diese Geschichte in denen Jahrbüchern des Ottomannischen Reichs mit unzähligen Bluts=Tropfen eingezeichnet zu lesen / gar <B7v> leicht Beyfall geben wird / daß wann damahls die Christliche Armee in solcher Verfassung gestanden / daß sie in Romanien und vor Constantinopel rücken können / sie dem Türckischen Reich das Messer an die Kähle setzen können.
Zu seinem Zweck aber zu gelangen / ließ er so viel Geld als nur immer möglich in Eyl von denen grossen Kaufleuten und Bassen zu erpressen war / anschaffen. Mahomeths des IV. Sultanin muste ihren Schatz von 3 Millionen hergeben : dessen Erempel auch die andern bemittelten dames folgen / und in das alte Seraglio spatziren musten.
Hergegen nam er seine alte Mutter welche er in vielen Jahren nicht gesehen hatte / wieder zu sich.
Er vor seine Persohn bemühete sich kaum den zehenden Theil dessen / so sein Bruder Mahometh überflüssig verschwendet hatte / zu verzehren.
Man zahlete der schwürigen Armee viele 1000 Beutel aus / und suchte einen jeden Soldaten auch mit Reichung des bey einem neuen Käyser gewöhnlichen present und Kleider völlig contentiren / aber weil diese Meutenierer in eine Stunde mehr rauben konnten / als ein 10 Jähriger Sold ausmachte / sahen sie solchen kaum über die Areln an ; setzten demnach ihr plündern und rauben ungestöhrt fort / verschoneten weder der verriegelten Kramläden noch vermauerten Gewölber.
Der Bassen und vornehmsten Officiers Gold / und Kleinodien / und was sie von Silber und Gold Geschirren antraffen / namen sie weg / die übrigen Mobilien zerbrachen und vernichteten sie / setzten <B8r> den Gouverneur von Galata ab / tödteten den Janitscharen Aga und ermordeten wen sie beliebten; Vertrieben den griechischen Patriarchen, machten die Reichsten zu Bettler und die gantze Stadt zum Raub und Bandithen=Nest.
Wehrend dieser Grausamkeit hielt ich mich in dem hintersten Gemach meines mir von Sultan Soliman confirmirten Hauses eingezogen / und lebte von dem proviant, womit ich mich bey Voraussehung dieses Alla[r]ms versorget hatte : ließ auch keinen Menschen ausser einen alten Griechen / welchen ich an des Hectica curiret bey mir ein / massen ich weder Tag noch Nacht meines Lebens gesichert seyn konte.
Jedoch bewahrete mich die Himmliche Vorsorge dieses 1687ste Jahr / bis das erschröckliche Ungewitter vorüber und der rebellische Schwarm wie er schien / durch die sonderbahre Majestätische Aussprüche des Käysers vertrieben war.