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Als im Jahre unsers Erlösers 1660 der Türckische Kayser Mahometh IV. mit einem starcken Krieges-Heer den Siebenbürgischen unglückseligen Fürsten George Ragotzy heimsuchte / und nach dessen totalen Untergang die gewaltige Vestung und Vormauer der Christlichen Lande Groß-Waradein über den Hauffen geworffen hatte; mithin den Römischen Käyser Leopold 1661. blutig bekriegte / ward mein Vater Kibleti Bassa Voëwina, die verderbliche Kriegs-Flamme in Ungarn vergrössern zu helffen / aus Damascus / wo er Gouverneur war / von gedachten Mahomet beordert.
So bald mein Vater die Käyserliche Ordre erhalten / verfügte er alle Anstalten dem Hohen Befehl auffs schleunigste Folge zu leisten / gelangte derowegen im Monath Junii folgenden Jahres mit 2000 seiner eigenen Trouppen und 500 Soldaten von der Damascenischen Besatzung bey dem damahligen Groß-Vizier Achmet Bassa als seinen Schwager in Ungarn an. Seine Gemahlin aber welche nur gedachten Groß- Vizirs Schwester war / nam um iehrer Sicherheit willen in Siebenbürgen zu Groß-Waradein ihren Auffenthalt / woselbst sich mein Vater den Winter über befand. <A2v> Weil nun das Türckische Heer sich Frühling 1664 wieder versammlete / und seinen March zum Schrecken der Christenheit ferner nach Ungarn fortsetzete; ließ der Bassa von Damascus / mein Vater / seine schwangere Gemahlin / in der Intention, sie in der Näh zu haben / biß nach Belgrad geleiten.
Allein ehe dieselbe ihrer Escorte dorthin gelangen kunte / ward sie von einem streiffenden Corpo Husaren auffgehoben / und zur Gefangenschafft an den Commendanten von Comorra / Graffen von Bucheim überbracht; von dem Sie dem Bann in Croatien / Graffen Serini / gelieffert worden / welcher diese armseelig Gefangene mit sich in das Christliche Lager führte / und solche dem damahligen Durchlauchtigen Feldherrn über die Armee des Heiligen Römischen Reichs Printzen Leopold Wilhelm Marggrafen zu Baden zu dessen Discretion insinuirte.
Dem Ansehen nach wäre zwar klüglicher gehandelt worden / wann die schwangere Gemahlin in obgedachten Groß-Waradein verblieben / ob man gleich keine Gefahr vor Augen sahe / welche sie von dero Reise nach Griechisch-Weissenburg hätte zurück halten mögen; Gestaltsam das Türkische Heerlager gantz Nieder-Ungarn erfüllete / und nichts feindliches hinter seinem Rücken zu vermuthen stand.
Allein was die Göttliche Schickung in ihren ewigen Raht absolut beschlossen hat / demselben vermag keine Gewalt noch menschliche Klugheit einigen Wiederstand [A3r] zu leisten; und wann ja je zuweilen menschlicher Witz dem Verhängniß vorbeugen zu können scheinet / wird ihm doch sein weises Beginnen unvermerckt zur Thorheit / indem der himmlische Schluß alles nach seinem Willen lenckt.
Hochgedachter Printz verliehe demnach deroselben ein gnädiges Tractament, und befahl bey hoher Straffe ihr nichts widriges zuzufügen: Da sich aber die Feinde je mehr und mehr zum Anmarsch bewegten / ward Christlicher Seits nicht vor dienlich gehalten / die Armee mit Gefangenen zu beschweren; weshalb die schwangere Voëwina dem Obersten über das Fränckische Regiment zu Roß / Joh. Wilhelm Zobeln von Gibelstadt mit der Ordre anvertraut worden / solche an ihr Hoch Fürstl. Durchl. Christian Ernst Marggrafen von Brandenburg Bareyth / unverzüglich als ein Præsent oder Beute / noch wo möglich / vor ihrer Niederkunfft zu übersenden. Welches derselbe auch auffs sorgfältigste bewerckstelligte / dergestalt daß sie im Monaht Julio letzterwehnten Jahres über Wien / Prag / und Nürnberg glücklich an den Bareythischen Hoff gelangte: Allwo sie ins besondere von Ihro HochFürstl. Durchl. ersten Gemahlin Frau Erdmuth Sophia aus dem ChurFürstlichen Hause Sachsen mit unverdienten Gnaden-Bezeigungen empfangen / und in ein besondern Ansehen gehalten ward.
Gleichwie aber jeder lebendigen Creatur der Verlust der Seinigen und die Beraubung der Frey-<A3v>heit Schmertz und Trauren verursachet / also ists kein Wunder / wann diese ohn das ihrer Seele unerleuchtete Dame ihren unvermuhteten Glücks-Wechsel so tieff zu Hertzen genommen / daß die darob entstandene Betrübniß sich ihrer Gemüths und Leibes-Kräffte bemeistert / daß sie die Gebuhrts-Stunde zu überstehen unvermögend gewesen ; sondern in derselben ihren unvermeidlichen Tod den 24 September mehrerwehnten 1664ten Jahres nachdem sie noch die Zeitung von dem Tod ihres Gemahls in der Schlacht bei St. Gotthard erlebet / so frühzeitig gefunden.
Worüber vor Hochgemeldte Printzeßin um so mehr gerühret worden / daß sie Sorge getragen / die Schwangere samt ihrer Leibes-Frucht dem Weltheyland zuzuführen.
Damit aber Dero HochFürstliche Durchl. Preißwürdiges Concept, von dem Neidischen Tod nicht gäntzlich zernichtet werden möchte / ließ dieselbe in möglichster Eile mein Leben aus dessen Rachen reissen / indem ich an eben dem Tage und Stunde durch eine geschickte Section und Oeffnung aus dem verstorbenen Leibe meiner Mutter als meinem bereits determinirten Grabe an das Tage-Licht unversehrt herfür gezogen worden.
Bey welcher Gelegenheit damahls der wiewohl in einem andern Verstand gebrauchte merckwürdige Spruch der geheimen Welt-Weisen: Unius corruptio est alterius generatio. Des einen Körpers Tod [A4r] erwecket des andern Leben / denen Anwesenden ins Gedächtniß gefallen war.
Nach dieser Geschicht hat die höchst-gepriesene Marggräffin Christseeligen Andenckens ihren HochFürstl. Zweck an mir dennoch erreichet / allermassen Sie mich als fatales Türcken-Kind durch das Bad der heiligen Tauffe dem gewaltigen Reiche der Finsterniß entrissen / und dem Gnaden-Bündlein der Lebendigen einverleiben lassen / mithin mich selbst in hoher Person aus der Tauffe gehoben / und nebst Ihro Römische Käyserl. Maiest. Leopoldo, auch Dero Herrn Bruders der Herr Johann Georg III. damahligen Sächsischen Chur-Printzen zu meine hohe Tauff-Zeugen erwählet.
So offt ich hieran gedencke / spreche ich nicht unbillig bey mir selbst : Perieram nisi periissem. Ich wäre ewig unglücklich blieben / so ich nicht aus Unglück meinem Vaterlande entkommen / und der natürlichen Eltern sambt Haab und Gütern beraubet worden.
Diese Beraubung meiner zeitlichen Glückseligkeit machte mir die gnädige Fürstin durch meine Education in dem Schooß der Christlichen Kirchen an Dero Hofe zu meinem Gewinn. Wiewohl mir nun die mütterliche Vorsorge dieser Holdseeligen ersten Sophia durch Dero schmertzhafften Tod zu Leipzig in meinem 6ten Jahr 1670 entzogen ward / so bedeckte mich doch bald Hochgedachten Marggraffens Durchlauchtige andere Sophia aus dem Hoch-<A4v>Fürstl. Hause Würtenberg mit ihren Gnaden-Flügeln hinwiederum 5 Jahr. Welcher beyder hohen Printzeßinnen Freude in der Ewigkeit unaussprechlich sey!